Kölleda Verstärker NV25, Verstärkergestell
Die Vorgeschichte
Als mir mein Bruder Anfang 2003 das Ebay-Angebot mit dem Titel 100kg
Kölleda-Technik" zugemailt hatte, wußte ich noch nicht, daß
sich damit bei mir ein neues, großes Thema meiner Elektronik- und Röhrenleidenschaft
eröffnen wird.
Damals schaute ich mir die 100kg-Kölleda-Technik" auf den
Ebayseiten genau an und entschied, rein aus einer Laune heraus, die zwei Stahlblechracks,
gefüllt mit diversen Röhrenverstärkern und einem Radio, einfach
mal so" zu kaufen. Auch der Zusatz des Selbstabholens und des immensen
Gewichts ließen mich von meiner Entschlossenheit nicht abkommen. Also
Klick-Klick, 200Euro Sofortkauf" und die Ware war quasi mir.
Nach Abklären der Formalitäten und der Autoanfahrt konnte ich also
die Kölleda-Technik fast schon in meiner Werkstatt sehen. Lediglich die
Anfahrt nach Herne trennte mich nur noch davon, dachte ich. Leider wurde dieser
Teil dann doch anstrengender als gedacht.
Mein Freund nutzte diese Gelgenheit, um ein großes Tektronix-Oszilloskop,
was er kurz davor ebenfalls bei Ebay ersteigert hatte, abzuholen. Allerdings
besitzt er nur einen kleinen Golf, in den jetzt zwei 1,20m hohe, 60cm breite
und etwa 45kg schwere Racks mußten. Dazu war noch irgendwie das riesige
Ozilloskop zu verstauen. Nach endlosem Probieren aller möglicher Kombinationen
des Einräumens, hatte wir dann endlich die eine und einzige Lösung
gefunden und der Kofferraumdeckel ging wieder zu.
Nachdem wir dann nach einer Heimfahrt im strömenden Regen die zwei riesigen,
schmutzigen Verstärker in meine kleine Wohnung gewuchtet hatten, wurde
mir das Ausmaß erst richtig klar!
Diese zwei monströsen Dinger machten jetzt auf mich den Eindruck von
100kg schweren Edelschrott. Ach ja, und das alles für nur"
200Euro!
Ruhe bewahren und analysieren
So jetzt erstmal tief durchatmen! Die Sinne sammeln und die Dinge sichten
und ordnen.
Also einen Schraubenzieher her und die Teile zerlegt und begutachtet, vielleicht
findet sich ja was, mit dem sich mein Frust relativieren lässt.
Was sich mir bei dieser Sichtung bot, waren zwei 25Watt ELA-Verstärker
Klasse-AB Gegentakt in stark verschmutztem Zustand, zwei Mischverstärkereinschübe,
ein Radioeinschub sowie 8 kleine Mikrophonverstärker-Einschübe.
Das alles verpackt in unheimlich stabile und hochwertige, aber stark verdreckte
Stahlblechträger. Ja, die Substanz war damit nicht schlecht, aber klar
war mir noch nicht so ganz, was ich mit den Trümmern nun anfangen soll.
Alles wieder verkaufen? Würde ich einen finden, der mir wieder 200 Euros
dafür gibt? Bestimmt nicht!
Also dann erstmal die glücklicherweise vorhandenen Unterlagen her und
geklärt was das alles im Detail ist, und wie die Schaltungstechnik dazu
aussieht. Und siehe da!!! Es war eine wahre Pracht, die sich mir nach kurzem
Studium der Schalpläne und Unterlagen bot. Das häßliche Entlein
wurde zu einem verschmutzen und ramponierten, alten Schwan! Aber daraus läßt
sich was machen!
Also schnell mal die Innereien inspiziert und festgestellt, daß das
Radio und die Mischverstärker zwar schön gemacht sind, aber für
mich eigentlich wertlos sind. Naja, das Radio wird zwar wieder gemacht, aber
es ist, bis auf den gesamten Kurzwellenbereich den es überstreicht, nichts
wirklich besonderes.
Lediglich die Mikrophonverstärker und die Endstufen konnte ich wirklich
verwerten.
Ja, ich hatte gleich die Idee, aus diesen Verstärkern meine neue HiFi-Anlage
zu bauen. Da ich sowieso schon vor hatte, mir aus Sonderröhren (6C33C
Mil-Spec) einen Röhren-Verstärker zu bauen, kam mir diese Idee genau
recht. Außerdem war ein solches Ensemble eine echte Rarität, so
daß ich keine Angst haben brauche, jemand könnte an diesen Verstärkern
irgendwelche Geldsummen ablesen, die ich investiert habe, denn DAS will ich
auf keinen Fall. Technisch außergewöhnlich aber auch exzentrisch
soll es sein, und das sind diese Verstärker in ihrem enormen Gestell,
der einnehmenden Art und der hervorragenden Schaltungtechnik alle mal!
Die Wiedergeburt
Nachdem nun dem Rack mit Einschüben, bewaffnet mit einem Staubsauger
und vielen Bürsten der Staub und die Glasfaserreste einer Dachisolierung
(das juckt vielleicht!!!) entfernt werden konnte, machte ich mich ans Werk,
die Verstärker mal so, ohne vorherige Maßnahmen optisch und meßtechnisch
zu untersuchen.
Der Endverstärker besteht aus dem Netzteil mit Doppel-Gleichrichtung
(EYY13), zwei Vorstufen (ECC83), einer Phasenumkehrstufe (ECC82) und einer
Gegentakt-Endstufe mit EL34 in Triodenschaltung. Die Vorstufe hat eine Empfindlichkeit
von 100mV und beinhaltet einen Klangregler für Höhen und Tiefen.
Die Phasenumkehr erfolgt sehr symmetrisch über zwei Systeme der ECC82,
so daß jedes System für eine Röhre zuständig ist. Damit
ergeben sich gleiche Ausgangswiderstände des Phasensplitters.
Die Endstufe besteht aus zwei EL34, die in Gegentakt AB geschaltet sind. Jede
Röhre hat eine getrennte (!!) Einstellung des Arbeitspunktes, welcher
zur Kontrolle an einem magischen Auge (EM83) getestet werden kann. Auch sind
diese Meßwerte direkt an Meßbuchsen an der Front abgreifbar. Alleine
dieses Detail läßt dabei schon Freude aufkommen!
Die Gegenkoppelung der Stufen erfolgt dabei über die zweite Vorstufe,
den Phasensplitter und die Endstufen. Sie hat, um den Ausgang wirklich erdfrei
zu machen eine eigene Wicklung zu Auskoppelung des Signals.
Überhaupt ist die Masse des Verstärkers immer konsequent zwischen
Gehäuse und Signalmasse getrennt worden, um evtl. Brummstörungen
zu minimieren. Die beiden Massen werden, damit sie gemeinsam mit den anderen
Einschüben zu einem Massestern verbunden werden können, getrennt
am jeweiligen Einschub herausgeführt. Damit sind wirklich potentialfreie
Masseverbindungen erst möglich.
Auch die mechanische Qualität überzeugte mich sofort. Die Endstufe
weist klare Modulaufteilung in Netzteil, Vorstufe mit Phasensplitter und Endstufe
auf. Aufgebaut ist alles auf Stahlblech in einem entsprechendem Trägerrahmen.
Die Vorstufenröhren sind mit Abschirmbechern versehen, während die
EL34 mit Haltebügeln mechanisch stabilisiert werden.
Die entsprechenden Details, wie Einschub-Griffe und große Halteschrauben,
Handverseilung der Kabelbäume runden den sehr professionellen Eindruck
ab.
Bilder sagen mehr als Worte, hier der Verstärker mit Einschub während
der Arbeiten
Man merkt dadurch sofort, daß es sich hier um reine Behördentechnik handelt, die in der ehem. DDR zu Beschallung von Ortschaften oder Plätzen benutzt wurde. Die Technik ist dabei so aufwendig ausgeführt, daß schnell der Eindruck aufkommt, daß hier keine Kosten und Mühen gescheut wurden. Also eine sehr gute Basis für etwas ganz besonderes und eigenes.
Auch meine Meßgeräte bestätigten später diesen Eindruck,
den ich rein durch die äußerliche Darbietung bekommen habe. Die
Bandbreite der Anordnung beträgt 15Hz-40kHz bei -3dB Eckfrequenz. Der
Klirrfaktor liegt bei knapp 1%/1kHz und der Restbrumm ist kleiner 10mV am
100V-Ausgang. Lediglich das Netzteil hat mit tiefen Frequenzen mit großer
Amplitude Probleme und ist damit verbesserungswürdig. Auch die erste
Vorstufe der Anordnung rauscht ein wenig stark, was aber ab der zweiten Stufe
nicht mehr der Fall ist. Aber wer braucht schon 100mV Empfindlichkeit, wenn
ein CD-Spieler sowieso 775mV oder 1V Ausgangsspannung liefert?
Der Mikrophonverstärker, der mit einer EF86 und einer ECC81 bestückt
ist, hat auch einige Details, die Begeisterung auslösen können.
Ganz besonders schön ist der Eingangsübertrager, der die Signale
potentialfrei macht. Also Brumm ade!
Die EF86 und die ECC81 sind mit Gummifüßen gesockelt, um Mikrophonie
klein zu halten. Auch ist der ganze Aufbau komplett geschirmt, sowie die Übertrager
nochmal in Weicheisen gepackt. Das Netzteil ist sehr vorbildlich außerhalb
der Signalspannungskette angeordnet, so daß hier keine Netz-Einstreuungen
zu erwarten sind. Alle Spannungen sind über Sicherungen gesichert sowie
überdimensioniert gepuffert.
Eine Umschaltung für die RIAA-Entzerrung bei Plattenspielern ist vorgesehen,
wobei das RIAA-Filternetzwerk passiv im Signalweg der EF86 zur ECC81 liegt.
Meßtechnisch sind die Verstärker leider nicht so gut, wie die Endstufe.
Hier macht sich die hohe Verstärkung der EF86 deutlich bemerkbar, denn
das Rauschverhältnis ist deutlich höher, als bei der Endstufe. Am
Ausgang sind dann schnell mal 8mV Rauschen vorhanden. Dieses Rauschen wird
dabei nur an und in der EF86 gebildet und hoch verstärkt.
Der Restbrumm dagegen ist sehr gering. Hier zeigt das überdimensionierte
Netzteil seine Stärken.
Leider ist die Übertragungsbandbreite doch recht begrenzt. Dies ist durch
die Übertrager am Eingang und am Ausgang bedingt. Hier zeigt sich ein
deutlicher Höhenabfall.
Nach dieser Bestandsaufnahme waren also erstmal alle elektrischen Baustellen
gefunden. Die zu machenden Arbeiten waren damit in erster Linie Reinigungs-
und Konservierungsarbeiten.
Die elektrischen Arbeiten dagegen etwas umfangreicher, da das Endstufennetzteil
besser abgepuffert sowie das HF-Verhalten durch schnelle Polypropylen-Kondensatoren
verbessert werden musste.
Die 1. Vorstufe mit dem Klangregler wurde entfernt, da ich einen linearen
Frequenzgang bevorzuge.
Da ich aus der Regelungstechnik komme, sind mir alle phasen- und amplitudenverschiebende
Glieder und damit zusätzliche Pole und Nullstellen im Komplexen nicht
sehr sympathisch. Also weg damit!
Weiterhin sollen sowieso alle passiven Bauteile ausgewechselt werden, da hauptsächlich
Kohlewiderstände verwendet wurden, die mir zu stark rauschen. Auch Drahtwiderstände
sowie belastete Leistungswiderstände wurden gewechselt und gegen wiederum
hochwertige Drahtwiderstände und präzise Metalloxydwiderstände
ersetzt. Letztere haben ein deutlich besseres Temperaturverhalten und löten
sich eher selbst aus, als den Hitzetot zu sterben.
Verstärkereinschub bei den Arbeiten im "Rohbau", die Kondensatoren wurden schon gewechselt und der Einschub gereinigt. Das Netzteil ist noch nicht vollständig überarbeitet.
Die Kondensatoren, insbesondere die im Signalweg, wurden durch teilweise vorher
neu berechnete Polypropylen-Folienkondensatoren von Arcotronics ersetzt. Diese
haben einen sehr kleinen Tangens-Delta, so daß sie ein sehr hochwertiger
Ersatz sind. Von Ölpapierkondensatoren halte ich gar nichts, da dieses
Dielektrikum elektrisch gesehen nichts taugt und von mir lediglich unter HiFi-Voodoo
abgelegt wird. In meinen Radios wechsele ich diese Kondensatoren sofort, da
diese einfach nicht meinen qualitativen Vorstellungen entsprechen. Wer aber
die Summen für einen Ölpapierkondensator für High-End"-Zwecke
ausgeben will, soll dies ruhig tun. Der Rubel muß ja bekanntlich rollen
und der Wiedererkennungs-Effekt ist auch groß. Man kann dann auch jedem
Interessenten zeigen, welch vermeintlich feines Gehör man hat, so daß
man selbst verschiedenen Kondensator-Dielektrika hört".
Bei den Mikrophonverstärkern müssen aufwendigere Arbeiten durchgeführt
werden. Zum einen rauscht die erste Stufe mit der EF86 sehr deutlich und zum
anderen beschränkt der Symmetrier-Übertrager am Ausgang den Frequenzgang
erheblich. Also müsste hier das Signal kapazitiv an einem Arbeitswiderstand
ausgekoppelt werden und die EF86 in einen anderen Betriebspunkt gebracht werden,
damit es weniger rauscht und die Bandbreite erträglich wird.
Da ich persönlich hier keinen Sinn sehe, daß System so völlig
zu überarbeiten, werde ich mit großer Sicherheit eine Lösung
mit integrierten Bauteilen aufbauen, Mir schwebt dabei in 1. Näherung
ein RIAA-Verstärker mit einem LT1115 und niederohmigem Ausgangstreiber
(600 Ohm) vor. Dieser Audio-OP von Linear-Tech ist ein hervorragendes Bauteil,
was sich quasi dafür anbietet. Mit normalem Bauteileaufwand und nierderohmiger
Beschaltung sind dann Rauschspannungen von wenigen µV drin.
Also werden diese Röhren-Verstärker erst später überarbeitet
bzw. ersetzt.
Damit die Leistungsverstärker auch die richtige Inpedanzanpassung haben,
müssen sie von dem bestehenden 100Volt-System auf die 8 bzw. 4 Ohm heruntertransformiert
werden. Jetzt sagt bestimmt der eine oder andere HiFi-Purist Oh je!
100Volt Systeme und noch ein Übertrager, die Bandbreite ist hin!".
Dem kann ich nur sagen: Falsch! Die Bandbreite eines Übertragers ist
immer leistungsabhängig. Hat man also einen Trafo der auf 25 Watt ausgelegt
ist, steuert diesen aber nur um 50% aus, hat man eine deutlich höhere
Bandbreite. Das ist durch die Sättigung bzw. magnetische Energiedichte
im Eisen bedingt. Auch die Verzerrungen bleiben sehr gering.
Darüber hinaus enthebt man sich der schrecklichen Kabeldiskussion"
mancher sog. Hifi-Experten". Hier reicht ganz einfach ein normales"
Kabel mit üblichem Induktivitäts- bzw Kapazitätsbelag und entsprechender
Spannungsfestigkeit, also kein Vodoo-Kabel.
Überhaupt ist ein a/b (gepaart) belegtes -Flachbandkabel für Computer
jedem auch noch so teurem High-End"-Kabel überlegen. Aber
was bringts, wenn man sich oder einem Betrachter zugeben muß, daß
dieses Kabel nur 3Euro der Meter kostet? Hier zählen nämlich einfach
keine elektrischen Werte mehr.
Das komplette Handbuch des NV25-Verstärkers
Das neue Kleid
Damit dieser Verstärker auch gut wirken kann, sollte das Gehäuse
umlackiert werden. Der graue Hammerschlaglack sollte einem tiefen Wassergrün
weichen, während die Frontblenden schwarz lackiert werden sollten. Ein
Lackierer führte mir dann diese Arbeiten aus.
Die ehemaligen Plastik-Schildchen für die Schalterbeschriftung etc. wurden
aus Kupferblech nachgeschnitten, und von einer guten Bekannten handgraviert
und anschließend vergoldet. Diese Oberflächenverdelung erfuhren
dann auch alle Einschub-Griffe und die Befestigungsschrauben an der Front.
Der Kabelbaum wurde dann mit Studio-Mikrophonleitung ausgeführt, die
jeweils die Aderschirmung separat und einen gemeinsamen Schirm hat. Hier wurde
konsequent der Aufbau auf einen zentralen Massestern verfolgt. Da die Verstärker
ja getrennte Massen haben, ist ein wirklicher Massestern ohne Probleme möglich.
Hier kann man sich so einige Millivolt an Brummschleifen ersparen.
Die 100Volt-Übertrager wurden an den Lautsprechern montiert, um die Vorteile
der Kabelimpedanzen nutzen zu können. Es ist als kleines Vorschaltgerät
im Weißblechgehäuse, vorgesehen und damit weitestgehend gefeit
von Störfeldern und Einkoppelungen.
Die Detailphotos werden bald dazugefügt. Dann kann man sich eine Vorstelllung
von dem endgültigen Verstärker machen.
Der fertige Verstärker von unten. Beim zweiten Bild sind deutlich die
Elkos sowie Folienkondesnatorenverbesserte der verbesserten Spannungsstützung
zu erkennen.
Der finale Hörtest
Da ich durch meine Messungen während des Umbaus sowieso immer mehr von
der Qualität dieser überragenden Verstärker überzeugt
wurde, konnte ich den abschließenden Hörtest nicht mehr objektiv
durchführen.
Also lud ich einen guten Freund ein, der in Sachen Musik und HiFi ein geschultes
Gehör hat.
Nach allerlei angehörter CDs kam er absolut uneingeschränkt zu dem
Urteil: Super, wirklich ohne Schwächen!"
Leider steht, aufgrund der fehlenden Phono-Vorverstärker ein Test mit
meinem DUAL-Laufwerk noch aus. Allerdings ist das sowieso nur zur Komplettierung
gut, da ich in aller Regel nur CD's kaufe.
Somit wurde der vermeintliche Fehlkauf zu einem echten Glücksgriff, der meine Wohnung mit einem echten Hingucker und "Hinhörer" bereichert.
Ach ja, die exakten Messergebnisse werde ich noch nachreichen. Damit werden alle Schwächen und Qualitäten aufgedeckt.
Sollten Fragen, Kritik oder Anregungen zu diesem Verstärker bestehen, bitte ich um Kontakt.